Arm trotz Arbeit

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Arm trotz Arbeit

In Bayern gibt es so wenig Arbeitslose wie schon lange nicht mehr. Und dank der Einfüh­rung des gesetzlichen Mindestlohns für Leihar­beiter im Januar dieses Jahres, sind es wohl auch nicht mehr ganz so viele Beschäftigte, die ihr Einkommen vom Staat aufstocken lassen müssen. Aufstocken, das bedeutet: Das Ar­beitseinkommen ist niedriger als Hartz IV. Und der Staat gleicht die Differenz aus. Ungefähr je­der dritte Hartz IV-Empfänger in Deutschland ist ein Aufstocker.<--break->

Für Petra Köberlein, 54, kommt „Aufstocken“ nicht in Frage. Zu viele schlechte Erfahrungen hat sie gemacht mit dem Arbeitsamt, zu viele Formalitäten und schlechte Behandlung. Petra Köberlein ist gelerntes Zimmermädchen, „ein sehr ehrenwerter Beruf“, betont sie. Über 20 Jahre arbeitete sie in München als Hotelfach­frau, bis die Hotelleitung beschloss, die Zimmer von Leiharbeitern reinigen zu lassen. Job weg, Urlaub ausbezahlt und das Angebot, für weniger als zwei Drittel des ohnehin nicht üppigen Ver­dienstes bei der Leiharbeitsfirma im gleichen Hotel weiter zu arbeiten. Aus Angst vor der Ar­beitslosigkeit nahm sie das Angebot an und ver­dient jetzt in einem Vollzeitjob weniger, als wür­de sie Hartz IV beziehen. Aber das ist nicht mal das Schlimmste für Petra Köberlein, die stolz sagt, „ich kann gut wirtschaften“. Viel unerträg­licher empfindet sie den rüden Umgangston, den die Arbeitgeber mit ihr pflegen.

Dass eine lange Firmenzugehörigkeit und zuver­lässige Ausführung der Arbeit keine Garantie für einen sicheren Job sind, mussten auch die Zeitungszusteller der ZVZ München, einer direk­ten Tochterfirma der Süddeutschen Zeitung er­leben. Die Konzernleitung beschloss, die ZVZ aufzulösen und durch eine neue, kostengünsti­gere Variante zu ersetzen. Den Zustellern wurde gekündigt und gleichzeitig ein Vertrag bei der neu gegründeten Zustellfirma angeboten, aller­dings für nur etwa 50 Prozent des bisherigen Lohnes. Manfred Koller, Betriebsrat der ZVZ, und ein Großteil seiner Kollegen ließen sich dar­auf nicht ein. Trotz Unterstützung durch die Ge­werkschaft ver.di und Münchens Oberbürger­meister Christian Ude lenkte die SZ-Leitung nicht ein. Manfred Koller und seine Kollegen ver­suchen nun, ihre Forderungen gerichtlich durch­zusetzen.

 

Studiogast: Philip Büttner, Soziologe, kda München
Filmbeiträge: Roman Linke
Moderation: Christine Büttner
Redaktion: Heike Springer

 

Links zur Sendung

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt kda

Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen afa

Kirchlicher Dienst im Gastgewerbe

Zeitungszusteller Blog

ver.di-Website der Münchner Zeitungszusteller