Die Vertriebenenstadt im Bayerischen Oberland
Geretsried ist mit seinen rund 24.000 Einwohnern die größte Stadt im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz und auch die jüngste. Auf dem von Wald umsäumten Gebiet des heutigen Stadtgebiets mussten während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiter in Sprengstofffabriken lebensgefährliche Arbeiten verrichten. Nach Kriegsende dann wurden in den zurückgebliebenen Baracken Heimatvertriebene angesiedelt. Für Inge Klier, wie für die vielen anderen Neuankömmlinge brach damals eine Welt zusammen. Nach den Strapazen der Flucht erwartete sie hier kein freundlicher Empfang. „Alle weinten“, erinnert sie sich, „auch die Männer“.So blieben die Vertriebenen anfangs unter sich, halfen und unterstützten sich gegenseitig, um sich in ihrer neuen Heimat eine Existenz aufzubauen. Die Traditionen aus der alten Heimat pflegen sie bis heute. Im Stadtmuseum Geretsried wird die Geschichte von Flucht und Vertreibung und die Auswirkungen, die die Ansiedlung der Heimatvertriebenen für den ehemals kleinen Ort hatten, anschaulich dokumentiert.
Michael Müller, erster Bürgermeister der Stadt und selbst Enkel von vertriebenen Karpatendeutschen, erzählt, dass es während der noch jungen Geschichte Geretsrieds immer wieder Zuwandererwellen gab. In den 1960er- und 1970er-Jahren zum Beispiel, als viele Griechen als Gastarbeiter ins Land geholt wurden. Evangelos Karassakalidis war zwölf, als er mit seinen Eltern nach Geretsried kam. „Die Sprache war ein Problem“, sagt er. „Es gab keine Förderung. Die Leute kamen hierher und mussten am nächsten Tag 16 Stunden arbeiten“. So blieben auch die Griechen erst mal unter sich. Heute freut sich der Vorsitzende der griechischen Gemeinde, dass zum sonntäglichen Gottesdienst und zum anschließenden gemeinsamen Tanz auf dem Platz vor der Kirche auch viele nicht-griechische Geretsrieder kommen und mitfeiern. Auch im Stadtrat sind die griechischen Mitbürger seit langer Zeit vertreten.
Ganz aktuell kommen viele Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in das hier eingerichtetete Asylbewerberheim. Bürgermeister Michael Müller ist froh, dass ein geeigneter Standort für die Unterkunft gefunden werden konnte, nah an den Schulen und mit dementsprechender Infrastruktur. Ganz wichtig ist ihm die soziale Integration der Flüchtlinge. Wenn es auch einige kritische Stimmen in der Stadt gibt, so gehen doch die meisten Geretsrieder ganz offen mit diesem Thema um. „Wir haben hier eine Willkommenskultur“ sagt der Bürgermeister, nicht ohne Stolz.
Ein Film von Monika Manoutschehri
Redaktion Heike Springer